Emily D’Angelo: Debütalbum bei der Deutsche Grammophon veröffentlicht

07 Okt 2021

Mit Musik von Hildegard von Bingen, Hildur Guðnadóttir, Missy Mazzoli und Sarah Kirkland Snider

»Dieses Album entführt uns in eine Klangwelt – sie ist verbunden durch das antike, alle Sinne ansprechende Konzept der enargeia«

Emily D’Angelo

»Kein Zweifel, Emily D’Angelo ist phänomenal«

Le Devoir

 

Konzept, Charakter, Coolness – das DeutscheGrammophon-Debüt von Emily D’Angelo hat alles, was diese junge kanadische Vokalistin auszeichnet. enargeia heißt ihre durchdachte Klangreise und der Name ist Programm, denn der Begriff aus der hellenistischen Rhetorik fasst, worum es ihr in ihrer Musik geht, um »eine Beschreibung, so lebendig, dass sie ihren Gegenstand in die Welt zu zaubern scheint«.

Werke aus dem 12. und dem 21. Jahrhundert hat D’Angelo ausgewählt und zum Teil für Kammermusik und Electronica neu arrangieren lassen. Geschrieben wurden sie von Komponistinnen: von Hildegard von Bingen, Hildur Guðnadóttir, Missy Mazzoli und Sarah Kirkland Snider. »Alle Stücke bauen aufeinander auf, zusammen ergeben sie ein größeres Ganzes: ein exploratives Hörerlebnis«, erklärt die Sängerin.

Das Album erscheint am 8. Oktober 2021. Es wurde zwischen Dezember 2020 und März 2021 in Berlin aufgenommen in Zusammenarbeit mit dem freien orchester Berlin, geleitet von Jarkko Riihimäki, sowie dem Kuss Quartett, dem Matangi Quartet und den Instrumentalisten Wolfgang Fischer, René Flächsenhaar, Mikayel Hakhnazaryan, Frédéric L’Épée, Jonas Niederstadt, Marc Prietzel, Marion Ravot, Christian Vogel und Norbert Wahren.

Doch alles begann viel früher, mit dem Interesse der Künstlerin an einer musikalischen und intellektuellen Lichtgestalt – der Äbtissin, Wissenschaftlerin, Dichterin, Komponistin und Visionärin Hildegard von Bingen. »Ich entdeckte ihre Musik als Kind, als ich im Chor sang, und war wie gebannt«, sagt D’Angelo. »Noch nie hatte ich so etwas gehört, und doch klang es vertraut und richtig.«

Wie ein roter Faden zieht sich die Bedeutung von Hildegard von Bingen nun durch das Repertoire der Aufnahme, für das sich D’Angelo entschieden hat, denn die Arbeiten haben gemeinsam, was die Musik aus dem Mittelalter auszeichnet: »die Offenheit ihrer Kompositionen, ihre Ausdrucksvielfalt und ihren Glauben an Musik als höhere Form der Kommunikation«.

Ein weiterer Gedanke leitete D’Angelo in ihrem Konzept, er befasst sich mit der Verbindung von Wort, Rhythmus und Tonhöhe: »Ganz gleich welcher Stil, immer läuft es auf diese drei Dinge hinaus«, sagt sie. Hildegard von Bingens Werk veranschauliche das in seiner wesentlichen Qualität als »eine einzige Gesangslinie und Text«. Die beiden eingespielten Stücke der Benediktinerin, eines zum Lob göttlicher Weisheit, O virtus Sapientiae, das andere eine Antiphon an die Jungfrau Maria, O frondens virga, sind in Bearbeitungen zweier herausragender zeitgenössischer amerikanischer Komponistinnen zu hören, deren Originalwerke ebenfalls eingespielt wurden: Sarah Kirkland Snider und Missy Mazzoli.

Markiert Hildegard von Bingen einen Punkt in der langen Geschichte des Spirituellen in der Musik, so kennzeichnet Missy Mazzoli mit Vespers for a New Dark Age einen anderen. Ein gänzlich anderer Blickwinkel zeigt sich darin. Mazzolis Werk aus dem Jahr 2014 ersetzt die Texte der traditionellen Vespermusik durch säkulare Lyrik des zeitgenössischen amerikanischen Schriftstellers Matthew Zapruder, erhält jedoch gleichzeitig ihre rituellen und repetitiven Qualitäten. Sowohl im Vesperstück als auch in den beiden Auszügen aus Song from the Uproar – Mazzolis Kammeroper über das außergewöhnliche Leben der Schweizer Forscherin, Schriftstellerin und Sufi Isabelle Eberhardt – kommt die dramatische Ausdruckskraft zur Geltung, die D’Angelo bereits so glänzende Kritiken für ihre Opernaufführungen eingebracht hat.

Einem thematischem Aspekt wird durch die klassische Gestalt der Penelope in dem gleichnamigen Liederzyklus von Sarah Kirkland Snider nachgegangen. Inspiriert von Homers Odyssee erzählt er von einem Veteranen eines namenlosen Krieges, der nach 20 Jahren Abwesenheit schwer versehrt zu seiner Frau zurückkehrt. »Die Arbeiten widmen sich den Themen Erinnerung, Identität, Heimkehr«, sagt D’Angelo, »und zeigen, wie Kunst, Literatur und Geschichte dem Verständnis der Gegenwart dienen können.« Mit eindringlichen Timbre interpretiert die Sängerin die hier vorgestellten Auszüge, während sie, bezeichnend für alle Stücke auf enargeia, selbst die feinste Nuance von Ellen McLaughlins emotionalem Text erfasst.

Vergangenheit und Gegenwart begegnen sich auch im Werk der oscarprämierten isländischen Komponistin Hildur Guðnadóttir, »deren Einsatz von Streichern als Bordunstimme«, so D’Angelo, »an mittelalterliche Musik erinnert«, obgleich die künstlerische Perspektive der Gegenwart verpflichtet bleibt. In Fólk faer andlit aus dem Jahr 2020, eine Antwort der Komponistin auf die Notlage von Flüchtlingen in ihrem Heimatland, erhebt sich D’Angelos Stimme über Bläsern und Streichern in zurückhaltender Klage, während sie Liður, einen Auszug aus Guðnadóttirs preisgekrönter Musik für die Fernsehserie Chernobyl, in tiefer Schwermut intoniert.

D’Angelo arbeitete für ihr Projekt mit unterschiedlichen Musikern zusammen, insbesondere mit Jarkko Riihimäki, der viele der Stücke arrangierte und einfühlsame Begleitungen schuf im vielfältigen Wechsel der Instrumente, darunter Solo-Cello, ein 20-köpfiges Streichorchester oder auch E-Gitarre, Bass und Schlagzeug wie in Sniders The Lotus Eaters, mit dem Emily D’Angelo im Duett mit sich selbst enargeia abschließt.